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Rudolf Steiner

Die soziale Grundforderung unserer Zeit. In geänderter Zeitlage
GA 186 - Vortrag Dornach 29.11.1918:

          S. 32: ... „Ich habe Sie das letzte mal darauf aufmerksam gemacht, daß die Verpflanzung des Bolschewismus nach Rußland wesentlich ein Ludendorffscher Impuls war.”

          S. 33 „Ebenso waren natürlich nicht erst die allerletzten Ereignisse notwendig, die, ich möchte sagen, handgreiflich den ungesunden Geist Ludendorffs verraten, sondern das konnte man lange wissen.”

          S. 35: „Aber Ludendorff erklärte, es müsse innerhalb vierundzwanzig Stunden die Waffenstillstandsbitte vorgetragen werden, sonst käme das größte Unglück. Gegen seinen früheren Entschluß tat das Prinz Max von Baden. Nach fünf Tagen erklärte Ludendorff: er habe sich wohl geirrt, es sei gar nicht notwendig gewesen! ...

          Denn das Urteil, daß Hindenburg und Ludendorff >große Männer< seien, das hat sich ja wirklich mit epidemischer Gewalt verbreite, während sie in Wahrheit durchaus keine großen Männer waren, auch nicht vom Standpunkt ihres engeren Berufes aus.”

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S. 64: ...werden, hinauszuschauen über die gewöhnliche äußere Wirklichkeit, aber es doch nicht wollen, es nicht tun. Es wird da hingewiesen zum Beispiel in diesem Buche, wie der Mensch eine gewisse Verwandtschaft hat mit kosmischen Kräften. Aber man soll nur ja nicht etwa kommen und den Inhalt meiner «Geheimwissenschaft», in dem diese Beziehungen entwickelt werden, den Leuten vortragen! Da zucken sie davor zurück. Man kommt aber nicht zu einer Einsicht gerade in die sozialen Dinge, die so betrachtet werden müssen, wie ich es Ihnen gesagt habe, wenn man nur sich darauf einläßt, daß geschaut werden kann, und nicht darauf sich einläßt, was geschaut werden kann. Das ist von einer ungeheuren Wichtigkeit, dieses wirklich einzusehen. Sonst wird man immer in den Fehler verfallen, der schon angedeutet wurde bei dem allerersten heute gesprochenen Sitze, daß man dasjenige, was konkret für das individuelle einzelne gilt, verabsolutiert, daß man fragt zum Beispiel mit Bezug auf die soziale Frage: Wie sollen die menschlichen Einrichtungen über die ganze Erde hin getroffen werden? — Aber diese Frage ist gar nicht gegeben. Die Menschen sind über die Erde hin verschieden. Und gerade gegen die Zukunft hin wird sich diese Verschiedenheit trotz allem Internationalismus immer mehr und mehr zeigen. Und die Folge wird sein, daß derjenige einen ganz unwirklichen Gedanken ausspricht, der da glaubt, man könne in Rußland geradeso wie in China, geradeso wie in Südamerika, in Deutschland oder wie in Frankreich sozialisieren, der also absolute Gedanken da ausspricht, wo individuelle, relative Gedanken allein der Wirklichkeit entsprechen. Das ist außerordentlich wichtig, daß man dieses ins Auge faßt.

          Es war mein großer Schmerz in den letzten Jahren, wo es so notwendig gewesen wäre, daß diese Dinge an den geeigneten Orten verstanden worden wären, daß diese Dinge eben nicht verstanden worden sind. Sie erinnern sich, ich habe vor zwei Jahren hier eine Karte aufgezeichnet, die sich jetzt realisiert. Und diese Karte habe ich nicht nur Ihnen aufgezeichnet. Ich habe diese Karte dazumal angeben wollen, um auszusprechen, wie die Impulse von einer gewissen Seite her gehen, weil es ein Gesetz ist, daß, wenn man diese Impulse kennt, wenn man sich einläßt darauf, wenn man sie ins Bewußtsein aufnimmt, sie in einer

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gewissen Weise korrigiert, sie in anderes gelenkt werden können. Das ist sehr wichtig, daß man dies erfaßt. Aber es hat sich eben niemand gefunden, auf den es angekommen wäre, der sich auf diese Dinge eingelassen hätte, der diese Dinge in wirklichem Sinne ernst genommen hätte. Daß sie ernst zu nehmen waren, das zeigen ja die heutigen Geschehnisse.

          Die Tatsache, die dabei berücksichtigt werden muß, ist die, daß von gewissen Grundgesetzen der Weltevolution heute tatsächlich in größerem Umfange und so, daß dieses Wissen auch äußerlich betätigt wird, nur etwas gewußt wird innerhalb gewisser geheimer Gesellschaften der britisch sprechenden Bevölkerung. Dies ist etwas, was wichtig ist zu berücksichtigen. Geheime Gesellschaften bei den andern Bevölkerungen sind im Grunde genommen nur Phrasengeklingel. Geheime Gesellschaften dagegen innerhalb der britisch sprechenden Bevölkerung sind Quellen, von welchen aus durch gewisse Methoden, über die ich ja vielleicht auch einmal sprechen werde, was aber heute zu weit führen würde, Wahrheiten gewonnen werden, nach denen man die Dinge politisch lenken kann. So daß man sagen kann: Jene Kräfte, welche einfließen von diesen geheimen Gesellschaften in die Politik des Westens, gehen mit der Geschichte in sachgemäßem Sinne. Sie rechnen mit den Gesetzen der historischen Entwickelung. Es braucht nicht im Äußeren immer bis aufs i-Tüpfelchen alles zu stimmen, es handelt sich darum, ob man mit den Gesetzen der historischen Entwickelung in sachgemäßem Sinne geht, oder ob man dilettantisch vorgeht, bloß nach willkürlichen Einfällen.

          Im eminentesten Sinne eine dilettantische Politik, die gottverlassen von allen historischen Gesetzen ist, war zum Beispiel die mitteleuropäische Politik. Eine nicht dilettantische, eine sachgemäße oder, wenn ich mich des Spießerausdrucks bedienen darf, eine fachliche Politik war die Politik der britisch sprechenden Bevölkerung, des britischen Reiches und seines Anhanges Amerika Das ist der große Unterschied, das ist das Bedeutsame, das ins Auge gefaßt werden muß. Es ist aus dem Grunde bedeutsam, weil das, was in jenen Kreisen gewußt wird, schon in die Wirklichkeit hineinfließt. Es fließt auch in die Instinkte derjenigen Menschen hinein, die dann äußerlich auf ihrem Platze

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stehen und die Repräsentativpolitiker sind, wenn sie auch nur aus politischen Instinkten heraus handeln. Hinter ihnen stehen die Kräfte, von denen ich eben Andeutung mache. Sie brauchen daher nicht zu fragen, ob Northcliffe oder selbst Lloyd George in diesem oder jenem Grade in die Kräfte, um die es sich handelt, eingeweiht sind. Darauf kommt es gar nicht an, sondern darauf, ob es eine Möglichkeit gibt, daß sie im Sinne dieser Kräfte sich verhalten. Sie brauchen das, was in der Richtung ihrer Kräfte liegt, nur in ihre Instinkte aufzunehmen. Das gibt es aber; das geschieht. Und diese Kräfte wirken in der Richtung der Weltgeschichte. Das ist das Wesentliche. Und man kann günstig im weltgeschichtlichen Zusammenhange nur wirken, wenn man wirklich wissentlich aufnimmt, was in dieser Weise in der Welt vorgeht. Sonst hat der andere, der wissentlich im Sinne der Weltgeschichte wirkt oder wirken läßt, immer die Macht, und derjenige, der nichts weiß, die Ohnmacht. Solcherweise kann die Macht über die Ohnmacht siegen. Das ist ein äußeres Geschehnis. Aber der Sieg der Macht über die Ohnmacht geht letzten Endes in diesen Dingen auf den Unterschied von Wissen und Nichtwissen zurück. Das ist es, was ins Auge gefaßt werden muß.

          Und wichtig ist es, daß jenes Chaos, das sich im Osten und in Mitteleuropa jetzt vorbereitet, auf der einen Seite ja zeigt, wie schrecklich alles das war, was vorgab, in dieses Chaos staatliche Ordnung hineinzubringen, und was jetzt hinweggefegt ist; aber auf der anderen Seite zeigt dasjenige, was in Mittel- und Osteuropa geschieht, daß eben Dilettantismus auf diesem Gebiete das öffentliche Leben durchsetzt. Im Westen, in der englisch sprechenden Bevölkerung der Erde, herrscht gar nicht Dilettantismus, herrscht überall — wie gesagt, wenn ich mich des Spießerausdrucks bedienen darf — fachmännische Betrachtung dieser Dinge.

          Das ist es aber, was der Geschichte der nächsten Jahrzehnte seine Gestalt geben wird. Man mag noch so hehre Ideale aufstellen in Mittel- und Osteuropa, man mag noch so guten Willen haben in diesen oder jenen Programmen, mit alledem ist nichts getan, solange man nicht von Impulsen auszugehen vermag, die ebenso oder besser von jenseits der Schwelle des Bewußtseins hergenommen sind, wie letzten Endes

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die Impulse des Westens, der britisch sprechenden Bevölkerung von jenseits der Schwelle des Bewußtseins hergenommen werden.

          Die Freunde, die wenigstens auf die Dinge gehört haben, wie ich sie seit Jahren, ebenso wie heute vor Ihnen, vorgebracht habe, haben immer bei diesen Dingen einen Fehler gemacht, von dem in der Regel auch unsere besten Freunde schwer abzubringen sind, den Fehler, der etwa von dem Gedanken ausgeht: Ja, was nützt es denn, wenn man den Leuten auch sagt, aus gewissen geheimen Zentren des Westens gehen diese oder jene Dinge aus, man muß ihnen doch erst den Glauben beibringen können, daß es solche Geheimgesellschaften gibt. Das wurde vielfach als das Fundamentale betrachtet, diesen Glauben zu erwecken, daß es solche geheime Gesellschaften gibt. Das ist aber nicht das, worauf man in erster Linie sehen sollte. Sie werden wenig Entgegenkommen finden, wenn Sie etwa einem Staatsmann vom Kaliber eines Kühlmann beibringen wollen, daß es Geheimgesellschaften gibt, die solche Impulse haben. Aber darauf kommt es gar nicht an. Man macht sogar einen Fehler, wenn man das als das Fundamentale ansieht. Daß man davon als von einem Fundamentalen ausgeht, rührt nur her von der ja auch bei Anthroposophen vorhandenen, noch aus der Unsitte der alten Theosophischen Gesellschaft heraufgetragenen Geheimniskrämerei. Man meint, wenn man das Wort geheim oder okkult ausspricht und auf irgend etwas Geheimes oder Okkultes hinweisen kann, da gibt man sich schon ein ganz besonderes Ansehen dadurch. Das ist es aber nicht, was irgendwie günstig wirkt, wenn es sich um die äußere Wirklichkeit handelt. Darum handelt es sich, daß man aufzeigt, wie die Dinge geschehen daß man einfach auf das, was jeder mit seinem gesunden Menschenverstand verstehen kann, hinweist.

          Innerhalb jener Gesellschaften, die solche okkulten Wahrheiten, die auf die Wirklichkeit gehen, pflegten, wurde zum Beispiel der Satz ausgesprochen: Man muß eine solche Politik befolgen, daß, nachdem das russische Zarenreich zum Heile des russischen Volkes gestürzt sein wird, in Rußland die Möglichkeit geboten wird, sozialistische Experimente zu unternehmen, die man in westlichen Ländern nicht unternehmen will, weil sie sich da nicht als vorteilhaft, nicht als wünschens-

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wert herausstellen. — Solange ich sage, daß das in geheimen Gesellschaften gesagt worden ist, kann man es ja bezweifeln. Aber wenn man dann darauf hinweist, daß die ganze politische Leitung so verläuft, daß dieser Satz zugrunde liegt, dann steht man mit dem gewöhnlichen gesunden Menschenverstand in der Wirklichkeit drinnen, und darum handelt es sich, daß man Wirklichkeitssinn erwecke.

          Was sich da in Rußland entwickelt hat, ist im Grunde genommen nur eine Realisierung desjenigen, was im Westen gewollt ist. Daß heute noch ungeschickte sozialistische Experimente von Nichtengländern gemacht werden, daß sich die Dinge in allerlei Windungen realisieren, das wissen diese Gesellschaften so gut, daß ihnen das nicht besonderen Kopfschmerz macht; denn sie wissen eben, es handelt sich darum, daß man diese Länder zunächst so weit bringt, daß sozialistische Experimente notwendig sind. — Erhält man sie dann bei dem Nichtwissen über eine soziale Ordnung, dann macht man die soziale Ordnung bei ihnen, dann macht man sich zum Regierer der sozialistischen Experimente.

          Sie sehen, in dem Vorenthalten einer gewissen Art von okkultem Wissen, das sehr sorgfältig gerade in diesen Zentren gepflegt wird, liegt eine ungeheure Macht. Und keine Rettung gibt es gegen diese Macht, als indem das Wissen von der anderen Seite erworben wird und entgegengehalten werden kann. Auf diesem Gebiete redet man nicht von Schuld oder Unschuld, auf diesem Gebiete redet man eben einfach von Notwendigkeiten, von den Dingen, die da kommen müssen, weil sie jetzt schon in den Untergründen, in der Region der Kräfte, die noch nicht Phänomene sind, aber die schon Kräfte sind und zu Phänomenen werden, wirksam sind.

          Ich brauche wohl kaum zu betonen, daß ich das festhalte, was ich immer ausgesprochen habe: daß das eigentliche Wesen des deutschen Volkstums nicht untergehen kann. Dieses eigentliche Wesen des deutschen Volkstums muß sich seinen Weg suchen. Aber eben darum handelt es sich, daß es den Weg finden kann, daß es nicht auf falschen Wegen sucht, nicht auf unwissenden Wegen sucht. Also deuten Sie das, was ich jetzt sagen werde, nicht etwa in dem Sinne, daß es irgendwie widersprechen würde dem, was ich im Laufe der Jahre gesagt habe;

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denn die Dinge haben alle zwei Seiten, und das, was ich angedeutet habe, ist in vieler Beziehung ein Wollen. Es kann ja paralysiert werden, wenn von der anderen Seite auch Kräfte spielen; die aber müssen auf Wissen beruhen, nicht auf dilettantischer Unwissenheit.

          Sehen Sie, worauf es ankommt, das ist dieses: Wenn vom Osten aus — und mit dem Osten meine ich alles dasjenige, was vom Rhein nach Osten liegt bis nach Asien hinüber — kein Widerstand erhoben wird, so wird eben die britische Weltherrschaft sich mit dem Untergange des romanisch-lateinischen Franzosenelementes so entwickeln, wie es in den Intentionen jener Kräfte liegt, die ich heute wiederum und schon öfter als hinter den Instinkten gelegen bezeichnet habe. Hinter den Instinkten liegen sie. Es ist daher wichtig, nicht bloß mit dem heute vielfach den Menschen anerzogenen Denken sich an das zu machen, was Woodrow Wilson sagt, sondern es ist wichtig, daß man mit einem tieferen Wissen erfaßt, was selbst in solchen Menschen wie Woodrow Wilson nur an Instinkten zutage tritt, was dann in allerlei Sätzen formuliert die Menschen berückt, was aber doch nur dadurch aus der betreffenden Seele kommt, daß diese Seele in einer gewissen Weise von unterbewußten Kräften besessen ist.

          Um was es sich handelt, ist doch, daß in den ihr Wissen geheimhaltenden Zirkeln des Westens sehr darauf gesehen wird, daß gewisse Dinge sich so herausbilden, daß dieser Westen unter allen Umständen über den Osten die Herrschaft erwirbt. Mögen die Leute heute in ihrem Bewußtsein sagen, was sie wollen, dasjenige, was angestrebt wird, ist, eine Herrenkaste des Westens zu begründen und eine wirtschaftliche Sklavenkaste des Ostens, die beim Rhein beginnt und weiter nach Osten bis nach Asien hinein geht. Nicht eine Sklavenkaste im alten griechischen Sinne, aber eine ökonomische Sklavenkaste, eine Sklavenkaste, welche sozialistisch organisiert werden soll, welche alle Unmöglichkeiten einer sozialen Struktur aufnehmen soll, die aber dann nicht angewendet werden soll auf die englisch sprechende Bevölkerung. Darum handelt es sich, die englisch sprechende Bevölkerung zu einer Herrenbevölkerung der Erde zu machen.

          Nun, richtig gedacht ist dieses von jener Seite in allerumfänglichstem Sinne. Und ich komme dazu, jetzt etwas auseinanderzusetzen,

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was ich Sie bitte, wirklich so aufzunehmen, daß Sie sich bewußt sind: Wenn solche Dinge heute ausgesprochen werden, so werden sie eben unter dem Druck und Drang der Zeitereignisse ausgesprochen und dürfen wahrhaftig nicht in unernstem Sinne genommen werden. Was ich da ausspreche, wird von den Zentren im Westen, die ich öfter angedeutet habe, sorgfältigst geheim gehalten Und es gilt im Westen als selbstverständlich, daß man die Menschen des Ostens nichts wissen läßt von diesen Dingen, die man selbst, wie ich vorhin sagte, durch Methoden, über die ich vielleicht auch noch sprechen werde, als Wissen besitzt, und zwar so als Wissen besitzt, daß man, weil die anderen diese Dinge nicht wissen sollen — und das ist die einzige Art, auf die es sein kann —, mit ihrer Hilfe die Weltherrschaft begründen will.

          Sehen Sie, von diesem fünften nachatlantischen Zeitraum ab werden sich in der Evolution der Menschheit ganz bestimmte Kräfte erheben. Die Menschheit entwickelt sich ja vorwärts. Man kann niemals von dem kleinen Zeitraum, den man anthropologisch oder historisch in der äußeren materialistischen Wissenschaft überschaut, ein Urteil gewinnen über die Kräfte, die sich in der Menschheitsevolution ergeben. Denn in diesem kleinen Zeitraum, den man anthropologisch oder historisch in dem äußeren Werden überschaut, hat sich eben nur sehr wenig geändert. Mit dieser Wissenschaft weiß man nicht, wie es zum Beispiel ganz anders ausgesehen hat schon im zweiten oder geschweige denn im ersten Zeitraum oder noch weiter zurück. Das kann man nur mit Geisteswissenschaft wissen. Und so kann man auch nur mit Geisteswissenschaft hindeuten auf diejenigen Kräfte, welche sich in Zukunft aus der Menschennatur selbst auf ganz elementare Weise herausentwickeln. Daß solche Kräfte, die das Leben der Erde umgestalten werden, sich entwickeln werden aus dem Menschen heraus, das weiß man in jenen geheimen Zentren. Das ist dasjenige, was man dem Osten verschweigen will, was man als ein Wissen für sich behalten will. Und man weiß auch, daß von dreifacher Art diese Fähigkeiten sein werden, die der Mensch heute erst in den allerersten Anfängen hat. Sie werden sich so aus der Menschennatur herausentwickeln, wie sich im Laufe der Menschheitsevolution andere Fähigkeiten ergeben haben.

          Ich muß Ihnen diese dreifache Fähigkeit, von der jeder Wissende

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innerhalb dieser geheimen Zirkel spricht und die sich in der Menschennatur entwickeln werden, in folgender Weise plausibel machen. Erstens sind es die Fähigkeiten zum sogenannten materiellen Okkultismus. Durch diese Fähigkeit — und das ist gerade das Ideal der britischen Geheimgesellschaften — sollen gewisse, heute der Industrialisierung zugrunde liegende soziale Formen auf eine ganz andere Grundlage gestellt werden. Es weiß jedes wissende Mitglied dieser geheimen Zirkel, daß man einfach durch gewisse Fähigkeiten, die heute noch beim Menschen latent sind, die sich aber entwickeln, mit Hilfe des Gesetzes der zusammenklingenden Schwingungen in großem Umfange Maschinen und maschinelle Einrichtungen und anderes in Bewegung setzen kann. Eine kleine Andeutung finden Sie in dem, was ich in meinen Mysteriendramen an die Person des Strader geknüpft habe.

          Diese Dinge sind heute im Werden. Diese Dinge werden innerhalb jener geheimen Zirkel auf dem Gebiete des materiellen Okkultismus als ein Geheimnis gehütet. Motoren gibt es, welche dadurch, daß man die betreffende Schwingungskurve kennt, durch sehr geringfügige menschliche Beeinflussung in Tätigkeit, in Betrieb gesetzt werden können. Dadurch wird es möglich sein, vieles, wozu man heute Menschenkräfte braucht, durch rein mechanische Kräfte zu ersetzen. Heute ist es schon so, daß die Menschen auf der Erde vierzehnhundert Millionen sind; aber es wird nicht bloß Arbeit geleistet von diesen vierzehnhundert Millionen — ich habe das einmal hier ausgeführt —, sondern es wird so viel Arbeit geleistet auf rein mechanische Weise, daß man sagen kann, die Erde ist heute eigentlich von zweitausend Millionen Menschen bevölkert; die anderen sind eben einfach Maschinen; das heißt, würde die Arbeit, welche von Maschinen geleistet wird, durch Menschen geleistet werden müssen ohne Maschinen, so müßten sechshundert Millionen mehr Menschen auf der Erde leben. Aber man wird, wenn das, was ich jetzt vor Ihnen mechanischen Okkultismus nenne, in das Gebiet der praktischen Wirksamkeit tritt, was ein Ideal jener geheimen Zentren ist, man wird nicht nur fünf- oder sechshundert Millionen Menschenarbeit leisten können, sondern man wird etwa tausendundachtzig Millionen Menschenarbeit leisten können. Dadurch wird die Möglichkeit gegeben sein, daß innerhalb des Ge-

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bietes der englisch sprechenden Bevölkerung neun Zehntel der Menschenarbeit unnötig wird. Aber der mechanische Okkultismus macht möglich nicht nur, daß man neun Zehntel der Arbeit, die heute noch von Menschenhänden geleistet wird, entbehren kann, sondern er macht es auch möglich, daß man jede aufständische Bewegung der dann unbefriedigten Menschenmasse paralysieren kann. Die Fähigkeit, nach dem Gesetze der ineinanderklingenden Schwingungen Motoren in Bewegung zu setzen, diese Fähigkeit wird sich gerade in ausgiebigem Maße bei der britisch sprechenden Bevölkerung entwickeln. Das weiß man in jenen geheimen Zirkeln. Damit rechnet man als mit demjenigen, was einem noch im Laufe des fünften nachatlantischen Zeitraums die Übermacht über die übrige Erdenbevölkerung geben wird.

          Aber man weiß in jenen Kreisen noch etwas anderes. Man weiß, daß es zwei andere Fähigkeiten gibt, die sich auch entwickeln werden. Und eine Fähigkeit wird sich entwickeln, die ich nennen möchte die eugenetische Fähigkeit. Und diese eugenetische Fähigkeit wird sich vorzüglich entwickeln bei den Menschen des Ostens, bei den Menschen Rußlands und des asiatischen Hinterlandes. Und auch das weiß man in jenen geheimen Zirkeln des Westens, daß dieser eugenetische Okkultismus sich nicht aus den angeborenen Anlagen der britisch sprechenden Bevölkerung heraus entwickeln wird, sondern aus den angeborenen Anlagen gerade der asiatischen und russischen Bevölkerung. Man kennt diese Tatsachen in den geheimen Zirkeln des Westens, und man rechnet damit. Man zählt mit ihnen als mit gewissen Impulsen, welche in der Entwickelung der Zukunft tätig sein müssen. Eugenetische Fähigkeit nenne ich die Heraushebung der Menschenfortpflanzung aus der bloßen Willkür und dem Zufall. Innerhalb der Bevölkerung des Ostens wird sich nämlich ein instinktiv helles Wissen entwickeln, welches Kenntnis davon haben wird, wie mit gewissen kosmischen Erscheinungen parallel laufen müssen die Gesetze der Population, die Gesetze der Bevölkerung; wie man, wenn man im Einklange mit gewissen Sternkonstellationen die Empfängnis einrichtet, dadurch Veranlassung gibt, gut gearteten oder übel gearteten Seelen den Zugang zur Erdenverkörperung zu verschaffen. Nur diejenigen Menschen, welche die Rassenfortsetzung der

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asiatischen Bevölkerung bilden, werden die Fähigkeit erlangen können, einfach im einzelnen zu schauen, wie das, was heute chaotisch, nach Willkür, über die Erde hin wirkt - Konzeption, Geburt —, im Einklange mit den großen Gesetzen des Kosmos im einzelnen, konkreten Falle zu machen ist. Da nützen nämlich abstrakte Gesetze nichts, sondern was da erworben wird, ist eine konkrete Fähigkeit, die im einzelnen Falle wissen wird: jetzt darf eine Konzeption sein oder jetzt darf keine Konzeption sein.

          Dieses Wissen, welches in der Lage sein wird, vom Himmel herunter die Impulse zu holen für Moralisierung oder Demoralisierung der Erde durch die Natur des Menschen selbst, diese besondere Fähigkeit entwickelt sich als eine Fortsetzung der Blutsfähigkeit bei den Rassen des Ostens, und ich nenne das, was da als Fähigkeit sich entwickelt, eugenetischen Okkultismus. Das ist die zweite Fähigkeit, welche verhindern wird, daß die Evolution der Menschheit mit Bezug auf Konzeption und Geburt bloß nach Willkür, mehr oder weniger durch Zufall in der Welt verläuft. Und jetzt sehen Sie auf die ungeheuere soziale Folge, auf den ungeheueren sozialen Impuls, der damit hereinkommt! Diese Fähigkeiten sind latent. Man weiß gut in jenen geheimen Zirkeln der britisch sprechenden Bevölkerung, daß diese Fähigkeiten sich bei der Bevölkerung des Ostens entwickeln werden. Man weiß, daß man sie selber in seinen durch die Geburt vermittelten Anlagen nicht haben wird. Man weiß, daß die Erde ihr Ziel nicht erreichen könnte, nicht von der Erde zum Jupiter hinüberkommen könnte, ja daß sogar schon abwenden würde, wenn nur mit den Kräften des Westens gearbeitet würde. Wenn nur mit den mechanischen okkulten Fähigkeiten des Westens gearbeitet würde, dann würde allmählich eine seelenlose Bevölkerung im Westen sich allein entwickeln können, eine Bevölkerung, welche so seelenlos wie möglich werden würde. Das weiß man. Daher strebt man an, innerhalb des eigenen Kreises dasjenige, was man entwickeln kann durch seine Fähigkeiten, zu entwickeln: den mechanischen Okkultismus; und man strebt an zu beherrschen diejenige Bevölkerung, welche den eugenetischen Okkultismus entwickelt.

          Jeder Wissende in den Zirkeln des Westens sagt: Es ist notwendig, daß wir zum Beispiel Indien

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beherrschen, aus dem Grunde, weil nur in der Fortsetzung desjenigen, was aus indischen Leibern kommt — wenn es sich mit dem verbindet, was im Westen nach ganz anderer Richtung hin, nach der Richtung des nur mechanischen Okkultismus geht —, Körper entstehen, in denen sich zukünftig Seelen verkörpern können, die die Erde zu ihren künftigen Entwickelungsstadien hinübertragen. Die englisch sprechenden Okkultisten wissen, daß sie verzichten müssen auf die Leiber, welche aus ihrer eigenen Volksgrundlage heraus kommen, und sie streben danach, die Herrschaft über eine Bevölkerung zu haben, welche Leiber liefern wird, mit Hilfe welcher die Entwickelung der Erde in die Zukunft hinausgetragen werden kann.

          Die amerikanischen Okkultisten wissen, daß sie nur, wenn sie von sich aus dasjenige pflegen, was innerhalb der russischen Bevölkerung sich an Leibern der Zukunft durch die eugenetisch okkulte Anlage entwickelt, wenn sie das beherrschen, so daß allmählich eine soziale Verbindung zwischen ihren absterbenden Rasseeigentümlichkeiten und den aufkeimenden psychischen Rasseeigentümlichkeiten des europäischen Rußland zustande kommt, daß sie nur dann in die Zukunft hinübertragen können, was sie hinübertragen wollen.

          Von einer dritten Fähigkeit, die heute latent ist und die sich entwickeln wird, muß ich Ihnen sprechen. Es ist diejenige, die ich nennen möchte die hygienische okkulte Fähigkeit. Nun haben wir alle drei: die materielle okkulte Fähigkeit, die eugenetische okkulte Fähigkeit und die hygienische okkulte Fähigkeit. Diese hygienische okkulte Fähigkeit ist auf dem guten Wege und wird verhältnismäßig nicht lange auf sich warten lassen. Diese Fähigkeit wird einfach durch die Einsicht reifen, daß das menschliche Leben, indem es von der Geburt bis zum Tode verläuft, nach einem Prozeß verläuft, der ganz identisch ist mit einem Krankheitsprozeß. Krankheitsprozesse sind nämlich nur spezielle und radikale Umbildungen des ganz gewöhnlichen, normalen Lebensprozesses, der zwischen Geburt und Tod verläuft, nur daß wir in uns nicht nur die krankmachenden Kräfte tragen, sondern auch die gesundmachenden Kräfte. Und diese gesundmachenden Kräfte, das weiß jeder Okkultist, sind ganz genau dieselben wie diejenigen, welche man dann anwendet, wenn man sich okkulte Fähigkeiten erwirbt, in

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dem man diese Kräfte in Erkenntnisse umwandelt. Die dem menschlichen Organismus innewohnende Heilkraft in Erkenntnis umgewandelt gibt eben okkulte Erkenntnisse.

          Es weiß nun wiederum jeder Wissende in den westlichen Zirkeln, daß in Zukunft die materialistische Medizin keinen Boden haben wird. Denn in dem Augenblicke, wo sich die hygienisch-okkulten Fähigkeiten entwickeln, wird man nicht eine äußere materielle Medizin brauchen, sondern es wird die Möglichkeit da sein, jene Krankheiten, die nicht durch karmische Ursachen entstehen und deshalb unbeeinflußbar sind, auf psychischem Wege prophylaktisch zu behandeln, zu verhüten. Es wird sich alles in dieser Beziehung ändern. Das erscheint heute noch wie eine bloße Phantasie, aber das ist etwas, was sogar sehr bald kommen wird.

          Nur liegt die Sache so, daß diese drei Fähigkeiten nicht etwa gleichmäßig über alle Bevölkerung der Erde kommen. Sie haben ja schon die Differenzierung gesehen. Diese Differenzierung hat natürlich nur etwas zu tun mit den Leibern, nicht mit den Seelen, die ja immer von Rasse zu Rasse und von Volk zu Volk gehen; aber mit den Leibern hat sie sehr viel zu tun, diese Differenzierung. Aus den Leibern der englisch sprechenden Bevölkerung kann niemals herauskommen die Fähigkeit, durch Geburt eugenetisch-okkulte Fähigkeiten in Zukunft zu entwickeln. Sie werden angewendet werden gerade im Westen, aber dadurch angewendet werden, daß man Ostländer beherrschen wird und Ehen herbeiführen wird zwischen den Menschen des Westens und den Menschen des Ostens; daß man benützen wird dasjenige, was man nur von den Menschen des Ostens erfahren kann.

          Für die hygienisch-okkulten Fähigkeiten sind besonders veranlagt die Menschen der Mittelländer. Und die Sache liegt so, daß die englischsprechende Bevölkerung nicht durch die Geburtsanlage die hygienisch-okkulten Fähigkeiten erlangen kann, daß sie aber im Laufe der Zeit in der Entwickelung zwischen Geburt und Tod sich diese Fähigkeiten erwerben kann. Da können sie erworbene Eigenschaften werden. Und bei der Bevölkerung ungefähr östlich vom Rhein bis nach Asien hinein werden sie durch die Geburt vorhanden sein. Und wiederum ist es so, daß die Bevölkerung der Mittelländer die eugenetisch

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okkulte Anlage nicht unmittelbar erwerben kann durch Geburt, aber sie im Laufe des Lebens sich aneignen kann, wenn sie in die Lehre geht bei den Menschen des Ostens. So werden diese Fähigkeiten verteilt sein. Die Menschen des Ostens werden gar keine Fähigkeit haben zum materiellen Okkultismus; sie werden ihn nur empfangen können, wenn man ihn ihnen gibt, wenn man ihn nicht vor ihnen geheim hält. Und man kann immer die Mittel finden, ihn geheim zu halten, besonders wenn die andern so töricht sind, an die Dinge nicht zu glauben, die jemand sagt, der einmal in der Lage ist, in diese Dinge ungefähr hineinzuschauen. Die Menschen also des Ostens und die Menschen der Mittelländer werden den materiellen Okkultismus vom Westen erhalten müssen. Sie werden die Segnungen eben erhalten — die Produkte. Der hygienische Okkultismus, er wird sich vorzugsweise in den Mittelländern entwickeln, der eugenetische in den Ostländern. Aber eine Kommunikation wird zwischen den Menschen stattfinden müssen. Das ist etwas, was in die sozialen Impulse der Zukunft aufgenommen werden muß; das ist etwas, was notwendig macht, daß die Menschen einsehen: sie können über die ganze Erde hin in der Zukunft nur noch als Gesamtmenschen leben. Denn wollte der Amerikaner nur als Amerikaner leben, so würde er zwar den höchsten materiellen Effekt erreichen können, aber er würde sich dazu verdammen, niemals über die Erdenentwickelung hinauskommen zu können. Er würde sich dazu verdammen, wenn er nicht die sozialen Beziehungen zum Osten suchte, als Seele nach irgendeiner Inkarnation in das Erdengebiet gebannt zu werden und nur innerhalb des Erdengebietes zu spuken. Die Erde würde herausgehoben werden aus ihrem kosmischen Zusammenhange, und es würden alle diese Seelen spuken müssen. Der Mensch des Ostens hingegen würde, wenn er nicht aufnehmen würde mit seinen eugenetisch-okkulten Fähigkeiten das, was zur Erde niederzieht, den Materialismus des Westens, die Erde verlieren. Er würde bloß in irgendeine psychisch-spirituelle Entwickelung hineingezogen werden, und er würde die Erdenentwickelung verlieren; die Erde würde gleichsam unter ihm versinken, er würde die Früchte der Erdenentwickelung nicht haben können.          
Vertrauen unter den Menschen im tief innersten Sinn muß eintreten.

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Das zeigt gerade diese merkwürdige Menschenentwickelung der Zukunft. Es liegt durchaus im vernünftigen Sinn der Zentren des Westens, die Dinge nur so zu pflegen, wie sie sie pflegen können. Es ist nicht an den Menschen des Westens, auf dasjenige besonders zu sehen, was sich im Osten entwickelt von dem Gesichtspunkte der Menschen des Ostens aus; was sich bei andern entwickelt, das muß den andern überlassen bleiben. Das ist es, was man sich recht, recht tief in die Seelen schreiben soll, daß hier ein Punkt erreicht ist, wo Schuld oder Unschuld oder dergleichen Begriffe überhaupt ihre Bedeutung verlieren, wo es sich darum handelt, die Dinge im allertiefsten Sinne voll ernst zu nehmen, weil sie ein Wissen enthalten, das allein geeignet ist, in die Lenkung der Menschheit in der Zukunft überzugehen.

          Es ist sehr wichtig, diese Dinge in einer gewissen Art zu betrachten. Denn bedenken Sie, daß über die Erde hin, differenziert nach den verschiedenen Menschen, nach den Menschen des Westens, der Mittelländer und des Ostens, sich dreierlei okkulte Fähigkeiten entwickeln, die sich gewissermaßen verschlingen, und zwar so sich ineinanderschlingen, daß der Mensch des Westens Anlage hat zum materiellen Okkultismus von der Geburt, aber sich erwerben kann hygienischen Okkultismus; daß der Mensch der Mittelländer vorzugsweise durch die Geburt Anlage hat für den hygienischen Okkultismus, daß er sich aber erwerben kann, wenn man sie ihm gibt, vom Westen her den materiellen, vom Osten her den eugenetischen Okkultismus; daß der Mensch des Ostens von der Geburt Anlage hat für den eugenetischen Okkultismus, daß er sich aber erwerben kann, von den Mittelländern aus, den hygienischen Okkultismus. Diese Fähigkeiten treten differenziert über die Menschheit der Erde verteilt auf, aber zu gleicher Zeit so, daß sie sich verschlingen. Und durch die Verschlingungen wird eben das zukünftige soziale Gemeinschaftsband über die ganze Erde bedingt sein.

          Nun gibt es aber Hindernisse für die Entwickelung dieser Fähigkeiten; und die sind mannigfaltiger Art, und ihre Wirksamkeit ist eigentlich eine recht komplizierte. So ist zum Beispiel gerade für den Menschen der Mittelländer und der Ostländer ein bedeutsames Hindernis, die Fähigkeiten, die da kommen sollen, namentlich wissentlich

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zu entwickeln, wenn starke Antipathien gegen die Menschen der Westländer in ihnen spielen, wenn diese Dinge nicht objektiv betrachtet werden können. Das ist ein Hindernis für die Entwickelung dieser Fähigkeiten. Dagegen wird in einer gewissen Weise sogar die Anlage zu einer späteren okkulten Fähigkeit unterstützt, wenn sie aus gewissen Instinkten des Hasses heraus entwickelt wird. Das ist eine sehr eigentümliche Erscheinung. Denn man fragt sich doch so oft — hier liegt nämlich etwas, was recht objektiv betrachtet werden sollte —: Warum ist denn eigentlich auf dem Gebiete der Westländer so unsinnig geschimpft worden? — Das zielt auch aus dem Instinkte schon nach diesen Fähigkeiten hin. Denn nichts wird das, was in den tiefsten Impulsen des westlichen Okkultismus liegt, mehr fördern, als wenn sich unwahre, aber gewissermaßen als heilig empfundene Gefühle entwickeln, welche die Menschen des Ostens, namentlich die Menschen der Mittelländer als «Barbaren» hinstellen können. Gefördert werden die materiellen okkulten Anlagen gerade zum Beispiel durch jene Stimmung, welche in Amerika die sogenannte «Kreuzzugstimmung » ist. Diese besteht darin, daß Amerika berufen sei, Freiheit und Recht, und ich weiß schon nicht, was die schönen Dinge alIe sind, über die ganze Erde zu bringen. Die Leute glauben das selbstverständlich. Hier ist nicht die Rede von irgendwelcher Anschuldigung. Die Leute glauben, daß sie einen Kreuzzug machen. Aber gerade darin, daß man das Unrichtige glaubt, darinnen liegt die Unterstützung nach einer gewissen Richtung hin. Würde man bewußt das Unrichtige sagen, dann würde man diese Unterstützung nicht haben. So ist auf der einen Seite dasjenige, was jetzt geschieht, unendlich förderlich, auf der andern Seite hinderlich gerade der Entwickelung derjenigen Fähigkeiten, von denen man sagen muß, daß sie heute bei den meisten Menschen noch latent sind, daß sie sich aber gegen die Zukunft hin entwickeln wollen, und daß sie tief eingreifen werden in die soziale Struktur der Menschen der Zukunft.

          Denken Sie einmal, wie sich Ihnen durchglüht und durchsättigt mit Verständnis und Einsicht alles das, was in der Gegenwart geschieht, wenn Sie diese Hintergründe ins Auge fassen, wenn Sie erkennen, daß hinter all dem, was bewußt heute vielfach gesagt wird, die diesen Aus-

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führungen entsprechenden unterbewußten Instinkte liegen! Die wichtigste Tatsache dabei ist aber diese, daß durch ganz besondere Evolutionsvorgänge eben die britisch sprechende Bevölkerung solche geheimen okkulten Zentren hat, die diese Dinge kennen, die wissen, welche Fähigkeiten sie in der Zukunft haben werden als Angehörige der britisch sprechenden Bevölkerung und welche Fähigkeiten ihnen mangeln werden, die daher auch wissen, wie sie die soziale Struktur einrichten müssen, damit sie das, was ihnen mangelt, auch in ihren Dienst stellen können. In der Richtung solcher Dinge wirken aber die Instinkte, und diese Instinkte haben auch schon gewirkt, sie haben ungeheuer gewirkt, sie haben bedeutungsvoll gewirkt.

          Ein besonders brauchbares Mittel, wenn man ins unrichtige Fahrwasser lenken will, was durch das westliche okkulte Wissen impulsiert werden kann, ist, dem Osten so zu bearbeiten, daß er seinen alten Hang, bloße Religion ohne Wissenschaft zu entwickeln, auch in der Zukunft beibehält. Die Führer der westlichen Geheimzirkel werden dafür sorgen, daß es etwas, was weder bloße Religion noch bloße Wissenschaft ist, sondern die Synthese von beiden, das Zusammenwirken von Wissen und Glauben, dort nicht gibt. Aber sie werden auch dafür sorgen, daß jene Wissenschaft, die sonst auch auf den Inhalt der Religion übergeht, eben bloß im Geheimen wirkt, daß sie bloß die wichtigeren Angelegenheiten der Menschheit und die politische Führung der Erde beim Erringen der britischen Weltherrschaft durchdringt. Ungeheuer helfen wird es bei der Ausbreitung dieser Weltherrschaft, wenn der Osten möglichst die religiösen Vorstellungen nicht mit Wissenschaft durchdringt.

          Nun denken Sie, wie gerade alles Russische diesem westlichen Streben entgegenkommt. Da ist auf der einen Seite in Rußland heute noch das Streben, fromm zu sein, aber nicht zu durchdringen den Inhalt der Frömmigkeit mit spiritueller Wissenschaft, gewissermaßen in einer unklaren Mystik zu bleiben. Diese unklare Mystik, die würde ein gutes Förderungsmittel sein für das, was der Westen als Oberherrschaft über den Osten will.

          Auf der andern Seite handelt es sich darum, die Wissenschaft, die für die Erde ist, womöglich atheistisch zu machen. Und darin hat ge-

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rade die Kultur der britisch sprechenden Bevölkerung in der neueren Zeit ungeheuer Fruchtbares geleistet. Diese britisch sprechende Bevölkerung kann sich wahrhaftig nicht beklagen. Sie hat Ungeheueres erreicht, denn sie hat ihre wissenschaftliche Richtung, die religionslose Wissenschaft, die atheistische Wissenschaft im Grunde über die ganze Erde verbreitet. Die ist Herrscherin geworden über die ganze Erde. Der Goetheanismus, der ganz bewußt das Gegenteil davon ist, konnte ja selbst im Lande Goethes nicht aufkommen, ist selbst im Lande Goethes eine ziemlich unbekannte Sache! Dasjenige, was als Intellekt heute die Wissenschaft beherrscht, das ist durchaus im Sinne desjenigen gehalten, was offenbar werden soll als äußerlicher Ausdruck der von den Zirkeln im Geheimen gepflegten, aber dort wohl als Synthese zwischen Wissenschaft und Religion gepflegten Wissenschaft. Für die Außenwelt soll es nur die atheistische Wissenschaft geben; für die inneren Zirkel, welche den Gang der Weltereignisse leiten sollen, eine Wissenschaft, welche zu gleicher Zeit Religion, eine Religion, welche zu gleicher Zeit Wissenschaft ist.

          Am besten in der Hand haben wird man den Osten, wenn man ihm eine wissenschaftslose Religion erhält. Am besten in der Hand haben wird man die Mittelländer, wenn man ihnen aufpfropft, weil sie sich eine Religion nicht aufpfropfen lassen, eine religionslose Wissenschaft. Diese Dinge werden von denjenigen, die als Wissende in den genannten Zirkeln stehen, ganz bewußt, von den andern instinktiv gefördert. Und nachdem die aus überlebter Zeit herstammenden Herrschaftsmächte der Mittelländer weggefegt sind, ist ja in den Mittelländern zunächst nichts da, was an die Stelle gesetzt werden kann. Das macht es ja auch so schwierig, die ganze welthistorische Sachlage der Gegenwart richtig zu beurteilen. Alle Welt hat sich befaßt mit der Frage der Schuld oder der Ursache dieser kriegerischen Katastrophe. Aber alle diese Dinge finden nur ihre Beleuchtung, wenn man sie auf dem Hintergrunde desjenigen betrachtet, was als wirksame Kräfte nicht in den äußeren Phänomenen zutage tritt. Es läßt sich über diese Dinge nicht urteilen nach den Kategorien, nach den Denkkategorien, nach denen man gewöhnlich urteilt, wenn man die Schuld- oder Unschuld-Frage aufwirft — gerade aus den heute Ihnen dargelegten Gründen nicht.

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          Ich weiß sehr gut, daß heute, wo man sogar schon Wilson den Papst des zwanzigsten Jahrhunderts nennt, aber nicht im abträglichen, sondern im zustimmenden Sinne, weil er berechtigterweise der Laienpapst des zwanzigsten Jahrhunderts ist, selbst in den Mittelländern sich nach und nach ein getrübtes Urteil über den Hergang dieses Weltkrieges, wie man ihn nennt, entwickeln wird, weil man die eigentlichen Fragestellungen nicht berücksichtigen wird. Jedes Dokument wird das beweisen, was ich sage. Aber man muß die Dokumente auf dem richtigen Untergrunde sehen. Man muß vor allem die Möglichkeit haben, ein Urteil zu gewinnen. Dieses Urteil ergibt sich in diesem Falle nur demjenigen, der etwas Licht von jenseits der Schwelle auf die Dinge bringen kann. Denn sehen Sie, ich fürchte, daß sich durch die Dinge, die ja jetzt, man könnte sagen, Tag für Tag zutage treten, immer falschere und falschere Urteilswege geltend machen werden, daß immer weniger Menschen geneigt sein werden, auf die Frage so einzugehen, daß dieses Eingehen fruchtbar sein kann. Ich glaube, die Leute werden sich sonderbare Gedanken machen, wenn sie jetzt zum Beispiel durch die Zeitungen erfahren — mag es wahr sein oder nicht wahr sein, es könnte aber wahr sein —, daß der abgedankte deutsche Kaiser sagt: Ich bin ja gar nicht dabei gewesen, als der Krieg gemacht worden ist — Sie werden das in den letzten Blättern gelesen haben — das haben Bethmann und Jagow gemacht.

          Es ist natürlich unerhört, wenn so etwas von diesem Munde ausgesprochen wird, selbstverständlich unerhört! Aber es gibt überall im geheimen beeinflußte Urteile, die dann in falsche Wege geraten durch solche Dinge. Sehen Sie, um was es sich da handelt, das ist, daß man wirklich ganz genau die Tatsachen berücksichtigen muß, um die richtigen Fragen stellen zu können. Dann wird man schon sehen, daß man wahrhaftig die tiefe, tragische Notwendigkeit, die dieser Katastrophe zugrunde liegt, nicht so oberflächlich wird ins Auge fassen dürfen, wie das so häufig geschieht. Auch die oberflächlichen Ereignisse dürfen nicht oberflächlich ins Auge gefaßt werden.

          Ich will Sie auf einen Fall aufmerksam machen; Sie werden gleich nachher sehen, warum ich solch eine Einzelheit herausgreife. Ich habe schon vor einiger Zeit hier auseinandergesetzt, daß ja eigentlich gewiß

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viele Ereignisreihen, Tatsachenreihen in Deutschland vorhanden gewesen sind, die zum Kriege hätten führen können, die aber dann abgerissen sind, die nicht zu ihm geführt haben, während tatsächlich dasjenige, was zum Kriege geführt hat, im Grunde genommen aus gewissen Voraussetzungen erst sehr spät eingesetzt hat und in gar keinem Zusammenhang steht mit den anderen Dingen. Ich will heute nicht wiederholen, was ich Ihnen nach dieser Richtung schon gesagt habe, aber ich möchte Ihnen eines heute zu bedenken geben, damit Sie sehen, wie in der Weltgeschichte die Dinge, ich möchte sagen, zusammenklappen, die als äußere Symptome wirken, währenddem die großen Dinge hinter ihnen stehen, von denen ich Ihnen heute gesprochen habe.

          Sehen Sie, man kann die Frage aufwerfen: Hätte die ganze kriegerische Katastrophe, wie sie vom Juli 1914 oder August 1914 an eingetreten ist, unter Umständen auch einen anderen Verlauf nehmen können als den, den sie genommen hat? Ich will jetzt nicht darauf eingehen, ob diese Katastrophe als solche hätte vermieden werden können oder nicht, das steht auf einem andern Blatte, aber ich will die Frage aufwerfen: Hätte diese Katastrophe einen anderen Verlauf nehmen können? Nun, sie hätte einen anderen Verlauf nehmen können; das wäre durchaus denkbar, obwohl diese Dinge hinterher zu sagen, ich möchte sagen, nur einen methodischen Wert hat. Aber denkbar wäre es nach den Ereignissen und auch nach den okkulten Hintergründen, daß die ganze Katastrophe einen anderen Verlauf genommen hätte. Man muß schichtenweise urteilen. Dasjenige, was ich jetzt sage, gilt natürlich wiederum nur für eine gewisse Schicht der Tatsachen. Und innerhalb dieser Schichte der Tatsachen kann man etwa folgendes urteilen. Man kann sagen: Es wäre auch denkbar gewesen, daß der Krieg 1914 so begonnen worden wäre, daß das deutsche Heer nach Osten gezogen wäre, und man abgewartet hätte, ob dadurch, daß im Osten der Krieg entsteht, im Westen dann auch ein Krieg folgen werde. Es wäre denkbar gewesen, daß man mit der Hauptmasse des deutschen Heeres gegen Rußland gezogen wäre, daß man gegen den Westen eine bloße Defensive eingehalten und abgewartet hätte, ob die Franzosen, die ja in diesem Falle keine Bündnispflicht gehabt hätten, angreifen.

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Sie hätten keine Bündnispflicht in dem Augenblicke gehabt, wenn man nicht den Krieg nach Osten erklärt haben würde, sondern abgewartet hätte, bis die russischen Armeen wirklich einfallen. Sie wären nämlich eingefallen; das ist ohne Frage, daß sie eingefallen wären. Ich behaupte jetzt nicht, daß es nicht fünf Jahre früher eine andere Hypothese gegeben hätte, die in anderer Richtung hätte gehen können, aber 1914 war es nicht mehr möglich. Innerhalb dieser Schichte der Tatsachen könnte man sich denken, daß der Krieg eine Grundwendung nach Osten hin genommen hätte. Das wäre möglich gewesen. Und dennoch war es unmöglich. Es war eigentlich dennoch tatsächlich unmöglich aus dem Grunde, weil nach Osten hinüber kein deutscher Feldzugsplan vorlag. Man hat niemals daran gedacht, daß der Kriegsfall anders eintreten könnte, als daß Deutschland provoziert würde zu einem Angriff auf Rußland, daß dadurch für Frankreich der Bündnisfall für Rußland-Frankreich gegeben sei, und daß Deutschland dann einen Zweifrontenkrieg zu führen hat.

          Nun ging man unter dem Axiom, das sich innerhalb der deutschen Strategie vom Beginne des zwanzigsten Jahrhunderts an gebildet hat, davon aus, daß dieser Zweifrontenkrieg nicht anders als offensiv geführt werden kann. Nur der Feldzugsplan war da, mit einem Einmarsch durch Belgien rasch nach Westen hin Frankreich zu einem Sonderfrieden zu zwingen — das war gewiß eine Illusion, aber es waren diese Illusionen vorliegend — und dann die Heeresmassen nach Osten zu werfen. Nun bitte ich Sie zu bedenken, was ein solcher strategischer Plan ist. Er ist für jede Einzelheit, für jeden Tag berechnet. Er rechnet genau, wie lange es dauern darf von dem Tage, an dem die russische Gesamtmobilisation eintritt, bis der erste Befehl gegeben wird für die deutsche Mobilisation, die dann nicht warten kann, sondern weitergeht, weil der erste Anstoß die russische Gesamtmobilisation ist. Am Tage danach, am zweiten Tage danach, am dritten Tage danach muß das und das geschehen. Wartet man nur einen Tag nach der russischen Generalmobilisation, so ist der ganze Plan umgeworfen und kann nicht mehr ausgeführt werden. Das ist es, was ich Sie bitte zu bedenken, daß so etwas damit unterlief, das also tatsächlich entscheidend war in dem Augenblicke, wo gar keine mitteleuropäische

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Politik vorhanden war. Das ist natürlich das Wesentliche, daß keine mitteleuropäische Politik vorhanden war. Denn Bethmann redet heute noch immer Unsinn. Man war verzweifelt, wenn Bethmann im deutschen Reichstage seine unglaublichsten, seine unmöglichsten Dinge redete; aber er redet sie noch heute. Es war gar keine Politik vorhanden, sondern nur Strategie, aber eine Strategie, welche auf einen ganz bestimmten Fall aufgebaut war. Da konnte man nichts ändern, da konnte man nicht einmal in der Stunde etwas ändern.

          Ich bitte Sie also zu bedenken, daß nach der äußeren Veranlassung niemand in Deutschland den Krieg zu wollen brauchte, er mußte doch entstehen. Man brauchte ihn gar nicht zu wollen. Das bitte ich Sie zu berücksichtigen. Er mußte entstehen, einfach aus dem Grunde, weil ganz automatisch selbstverständlich in dem Augenblicke, wo Rußland Befehle zur Gesamtmobilisation erläßt, wie wenn der Zeiger einer Uhr auf Zwölf rückt, in dem deutschen Heerführer der Gedanke entsteht: Jetzt muß ich mobilisieren. — Und von da ab geht alles automatisch. Das entsteht gar nicht durch den Willen, das entsteht dadurch, daß es jahrelang vorbereitet ist. Ganz automatisch folgt auf die russische Gesamtmobilisation der Einfall durch Belgien nach Frankreich, weil man das als das einzig Vernünftige ansieht. Dem Kaiser konnte man es nicht sagen, weil man — ich habe es Ihnen ja schon erzählt — wußte: der ist so indiskret, wenn man es ihm heute sagte, so weiß es morgen die ganze Welt. Daß durch Belgien eingefallen wurde, hat er erst erfahren in der Stunde, als mobilisiert wurde. Ähnliche Dinge sind massenhaft vorgekommen. Diese Dinge bitte ich Sie zu berücksichtigen, dann werden Sie sich sagen: Man brauchte natürlich überhaupt nicht zu wollen innerhalb Deutschlands — der Krieg mußte entstehen. Ich sage: Wenn man innerhalb dieser Tatsachenschichte bleibt. Natürlich können Sie übergehen zu einer anderen Tatsachenschichte; aber da kommen Sie zu ganz verwickelten Fragen.

          Es ist wirklich so, daß einen da einmal etwas Großes, etwas, was zur Menschheitskatastrophe wird, erinnert an die Geschichte von dem braven Rektor Kaltenbrunner, die ich Ihnen erzählt habe mit Bezug auf Hamerling. Sie erinnern sich, daß ich Ihnen erzählt habe, wenn man sich Robert Hamerlings Dichterpersönlichkeit vor die Seele führt und

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sie versteht, so sagt man sich: Was in dieser Persönlichkeit wirkt, rührt zum großen Teil davon her, daß er in einem bestimmten Zeitpunkte als Gymnasiallehrer nach Triest kam und von da seine Urlaube nach Venedig antreten konnte, daß er also an die Gestade der Adria kam. Die ganze innere Seelenstruktur dieses Hamerling hängt davon ab, daß er zehn Jahre als Gymnasiallehrer — denn nur das hat er sein können nach den Antezedenzien seiner Entwickelung — in Triest an der Adria verleben konnte. Aber wodurch ist er dahin gekommen? Ich habe es Ihnen erzählt: Er hat ein Gesuch geschrieben, als er Supplent in Graz war, um eine erledigte Stelle in Budapest. Nun denke man sich: Da hat er ein Gesuch geschrieben; wenn die Behörde das bekommen und genehmigt hätte, wäre Hamerling die ganzen zehn Jahre nach Budapest gekommen. Die ganze Dichterpersönlichkeit wäre aufgehoben, die wäre nicht da; wer sie kennt, der weiß das. Wodurch ist das bewirkt, daß er nicht nach Budapest kam, sondern nach Triest? Der brave Rektor Kaltenbrunner, dem das Gesuch zunächst übergeben werden mußte, verbummelte es, ließ es in seiner Schublade so lange liegen, bis die Stelle in Budapest besetzt war. Und als die Stelle besetzt war und Hamerling sagte: Um Gotteswillen, ich wäre so gerne auf die Stelle in Budapest gekommen! — da wurde der brave Rektor Kaltenbrunner rot und sagte: Ach Gott, jetzt hab' ich das ganz vergessen, das liegt noch in meiner Schublade! — Und Hamerling wurde davor gerettet, nach Budapest zu kommen. Das nächste Mal, als sich Hamerling nach Triest meldete, da vergaß nach diesem Vorgange der brave Rektor Kaltenbrunner nicht, es weiterzugeben. Hamerling kam nach Triest und wurde dadurch der «Hamerling». Nun frage ich Sie: Hat der brave Rektor Kaltenbrunner den Hamerling als Dichter in die Welt gestellt? — Dennoch gibt es keinen anderen Urheber unter den äußeren Phänomenen, als daß Hamerling der « Hamerling » geworden ist durch die Bummelei des braven Kaltenbrunner, Rektor in Graz in der Steiermark. Es ist eben nur möglich, hinter die Dinge zu kommen, wenn man Symptomatologie treibt; denn diese Symptomatologie, die leitet einen dazu an, die äußeren Erscheinungen in der richtigen Weise zu taxieren und dasjenige zu sehen, was hinter den Symptomen steht. Das ist das Wichtige. Das ist es, was ich immer mehr erreichen möchte.

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Wenn man diese Katastrophe der Gegenwart anschaut, dann Endet man eben durchaus nicht eine leichte Möglichkeit, aus den Wirrnissen herauszukommen. Betrachten Sie nur die große Schwierigkeit, die vorliegt. Nehmen wir an, Mr. Grey ginge darauf aus, bloß aus den äußeren Dokumenten zu beweisen, daß er ganz schuldlos ist an dem Ausbruch des Krieges. Das kann man selbstverständlich beweisen, so leicht wie möglich. Man kann aus den äußeren Dokumenten ganz strikte den Beweis führen, daß die britische Regierung unschuldig ist an dem Ausbruch dieses Krieges. Aber überall handelt es sich darum, was die Beweise für ein Gewicht haben. Sie können nur dahinterkommen, wenn Sie die Frage so stellen, wie ich sie seit Jahren auch vor Ihnen hier gestellt habe: Wäre zum Beispiel die britische Regierung in der Lage gewesen, den Einfall in Belgien zu verhindern? — Darauf müssen Sie sagen: Ja, sie wäre in der Lage gewesen. — Denn das ist es gerade, was ich wiederum forderte in meiner Denkschrift, daß vor der Welt schlicht Tatsachen hingestellt worden wären. Die hätten natürlich auf der einen Seite dazu geführt, daß jener Herr, der jetzt nach Holland desertiert ist, dazumal schon irgendwie hätte verduften müssen. Vielleicht hängt das zusammen damit, daß meine Denkschrift ja so wenig Anklang gefunden hat, auch bei denen, die sie haben beurteilen können. Aber ich habe verlangt, daß die Ereignisse vor allen Dingen von Minute zu Minute erzählt werden, schlicht, ohne Färbung, so wie sie sich abgespielt haben zu gleicher Zeit in Berlin und in London zwischen halb fünf Uhr Sonnabend — Sie wissen, Sonnabend ist die Mobilisation um halb fünf Uhr in Berlin unterschrieben worden — und halb elf Uhr nachts. Diese entscheidenden Ereignisse, in die nichts hineinspielt von alledem, wovon die Welt geredet hat, schlicht erzählt, liefern den Beweis, daß es möglich gewesen wäre, daß der Einfall in Belgien von der britischen Regierung hätte verhindert werden können. Er ist nicht verhindert worden. Daher wurde am Sonnabend um halb elf Uhr der einzige Befehl, zu dem sich die Majestät gegen den Willen der deutschen Strategie aufgerafft hatte, das Heer zurückzuhalten, nicht nach Westen marschieren zu lassen, sondern im Westen nur Defensive zu machen — dieser einzige Befehl wurde Sonnabend um halb elf Uhr rückgängig gemacht, und es blieb bei der alten Strategie. Da müssen

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aber dann die Ereignisse von Minute zu Minute, möchte ich sagen, zwischen Sonnabend um halb fünf und um halb elf Uhr nachts wirklich erzählt werden, bloß die Tatsachen schlicht erzählt werden. Da stellt sich dann natürlich ein ganz anderes Bild heraus, vor allen Dingen ein Bild, welches dahin führt, die Fragestellungen richtig zu machen.

          Nun steht ja zu fürchten, daß das Weltenpublikum sich von dem beeinflussen läßt, was man in den Archiven findet; aber die Tatsachen, die die entscheidenden sind, die sich Sonnabend von halb fünf Uhr bis halb elf Uhr nachts zugetragen haben, die werden wahrscheinlich niemals aus Archiven an die Welt kommen, denn sie sind wahrscheinlich gar nicht aufgeschrieben worden, das heißt, sie sind aufgeschrieben worden, aber sie sind nicht so aufgeschrieben worden, daß man die Niederschriften in Archiven finden wird.

          Sehen Sie, Vorsicht im Urteilen, das ist es, was man auch gewinnen muß. Wenn man diese Vorsicht im Urteilen gewinnen kann, so ist das eine große Hilfe für die Entwickelung jener latenten Fähigkeiten, von denen ich Ihnen eben heute gesprochen habe, die sich in der Menschheitszukunft entwickeln müssen, dreigliederig differenziert über die Erde hin. Und dann werden Sie schon darauf kommen, daß wahrhaftig nicht aus irgendeinem intellektuellen Gedanken heraus als ein abstraktes Programm heute vor acht Tagen dasjenige entwickelt worden ist, was ich als die einzige berechtigte Lösung der sozialen Frage, soweit man heute im angegebenen Sinne von einer solchen Lösung sprechen kann, bezeichnete.

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S. 102: „Das ist schon ein sehr wichtiges psychologisches Apercu. Besitz schläfert ein; Notwendigkeit, im Leben zu kämpfen, weckt auf.”

          S. 104: „Denn selbstverständlich ist dasjenige, was bekämpft werden muß an den englisch-amerikanischen Geheimgesellschaften, genau dasselbe, was bekämpft werden muß am Jesuitismus.”

          S. 121: „Und der gegenwärtige Ruf nach einer Gliederung der Menschen in lauter einzelne Völker ist der ahrimanisch zurückgebliebene Ruf nach der Begründung einer solchen Kultur, wo alle Völker nur Volkskulturen, das heißt alttestamentliche Kulturen darstellen. Dem jüdischen alttestamentlichen Volke ähnlich werden sollen die Völker über die Erde hin — das ist der Ruf von Woodrow Wilson.”

          S. 285: „Symbolisch ist das, wodurch man früher zu der Menschheit gesprochen hat. Darin besteht gerade der Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit, daß die Anschauung durch die Symbole, die auf die Instinkte wirkten, heraufgeholt wird in das volle Bewußtsein, wo die Wirklichkeit, die geistige Wirklichkeit angeschaut wird.

          Diese Anschauung der Geisteswirklichkeit erfordert eine gewisse Aktivität der Geister. Die Anschauung der Symbole ließ die Leute gewissermaßen einschlafen. Ich habe Ihnen neulich angeführt, wie es heute zum Beispiel Freimaurer gibt, welche sagen, sie seien sehr froh, daß ihnen ihre Symbole nicht erklärt werden; da könne sich jeder denken, was er will, was die meisten dann dahin auslegen, daß sie sich gar nichts dabei denken, sondern die Symbole unbewußt auf sich wirken lassen.”

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